PERRY-RHODAN-Kommentar 2356


BEISPIEL ZENTAPHER (II)


In Gegenwart einer Million Zuschauer aus den 180.000 Völkern der verschiedenen Kabinette wurde Kintradim Crux um 3.182.000 vor Christus im Namen des Chotarchen Xpomul zum »Architekten« ernannt und bekam als Zeichen seiner Würde den Architektenstab überreicht. ZENTAPHER war für seine Bewohner fortan die Welt, im Verhältnis zum Standarduniversum ein eigenes Universum, eingebettet in den umschließenden Kosmos.

Ein Chaotender wie ZENTAPHER funktioniert ähnlich wie ein Raumschiff, zumindest grob analog betrachtet: Die einzelnen Sektionen wie Kommandozentrale, Antrieb, Energieerzeugung, offensive und defensive Ausstattung, Beiboote, Werkstätten, wissenschaftliche Abteilungen und dergleichen mehr sind durch die Kabinette ersetzt. Jegliche Funktion eines normalerweise räumlich eng begrenzten Raumschiffs findet somit ihre Entsprechung in einer der mikrouniversellen »Landschollen«.

Es gibt Kabinette mit ganzen Fabriklandschaften, solche mit genetischen Klonfabriken, andere stellen nötigenfalls Abermillionen von Raumsoldaten zur Verfügung, wieder andere forschen mit der Kapazität eines ganzen Forscherplaneten, weitere dienen als Pendant zu Lebenserhaltungsanlagen und produzieren beispielsweise Sauerstoff, Wärme und so weiter, während wieder andere Kabinette Standorte gigantischer Waffensysteme sind, als Standort von Raumschiffsflotten dienen oder für die Fortbewegung zuständig sind. Der Nachwuchs für diese Funktions-Kabinette wird nicht per natürlicher Fortpflanzung bereitgestellt, sondern auf genetisch-industriellem Weg – die Bewohner sind Klone oder Androiden.

Chaotender wie ZENTAPHER haben in vollfunktionsfähigem Zustand also riesige Kapazitäten – zumal die Möglichkeit hinzukommt, den Kabinetten gezielt eine Eigenzeit zuzuordnen: Werden beispielsweise in kürzester Zeit wissenschaftliche Informationen benötigt, erhält ein Forschungskabinett einen schnelleren Zeitablauf. Im Forschungskabinett vergehen dann möglicherweise Jahre – während »außerhalb« aufgrund der Zeitdifferenz die Lösung nach wenigen Sekunden zur Verfügung steht. Analog wird mit industriellen Gütern, die benötigt werden, mit Waffensystemen und allem anderen verfahren.

Die Zeitgeneratoren können den Zeitablauf der Kabinette stufenlos verlangsamen oder beschleunigen. Theoretisch sind alle Werte von null bis unendlich zu erzielen; theoretisch natürlich deshalb, weil eine unendliche temporale Beschleunigung auch unendlichen Energiebedarf bedeuten würde – und dies wiederum scheitert nicht nur an der Beschaffung, sondern auch an der Ableitung. Als im physikalischen Sinn geschlossenes System würde sich ein Chaotender bei überhöhter Energiezufuhr ohne geeigneten Abfluss rasch in das Äquivalent einer Sonne oder gar Supernova verwandeln.

Industrielle Produktion in beschleunigter Zeit verlangt überdies Rohstoffe – die von außen herangeführt oder energieaufwändig per Nukleosynthese oder anderen Verfahren erzeugt werden müssen. Ein weiteres begrenzendes Element für die Zeitbeschleunigung ist das Leben, denn Vermehrung findet selten natürlich statt – dies würde binnen weniger zehntausend Jahre alles außer Kontrolle geraten lassen –, sondern fast ausschließlich durch Klonung, wobei die Einzelindividuen in der Regel unfruchtbar sind. Temporal sehr hoch beschleunigte Kabinette müssen permanent mit Bevölkerung beliefert werden, da die Zeit ja schneller vergeht – und dies erfordert entsprechende Herstellungskapazitäten.

Wie produziert man hunderttausend Wissenschafter oder Techniker pro Stunde, wenn es beispielsweise gilt, ein vollbeschleunigtes Forscherkabinett mit Personal zu versorgen? Dies ist nur möglich, indem auch die Genetischen Kabinette beschleunigt werden, und auch diese benötigen wieder Personal und Energie – die Katze beißt sich also in den Schwanz.

Die Fähigkeit, Kabinette temporal zu beschleunigen, wird also begrenzt durch die Fähigkeit des Chaotenders, Energie zu beschaffen und wieder in das umliegende Kontinuum abzustrahlen, sowie von dem scheinbar simplen Problem des Personalnachschubs. Trotz all seiner immensen Möglichkeiten ist ein Chaotender also keineswegs »allmächtig«!

Mächtigstes und wirkungsvollstes Massenvernichtungsmittel an Bord von ZENTAPHER waren die Nekrophoren, die die Quanten der Nukleotiden Pest bargen – Hunderttausende silbern polierter Container-Fässer, deren Inhalt bei der Freisetzung entmaterialisierte, sich entlang der Gravitationslinien der betroffenen Galaxis verteilte und dort wieder ins vierdimensionale Kontinuum eintrat, wo sich große Mengen von Vitalenergie ballten – in der Regel bei bewohnten Planeten – und hier dann deren spontane »Verbrennung« bewirkten ...

Rainer Castor