PERRY-RHODAN-Kommentar 2195


SEIN UND BEWUSSTSEIN (I)


Den eher in »konventionell-normaluniversellen« Bahnen Denkenden oder gar den hartnäckigen reinen »Materialisten« – von denen es selbstverständlich auch im 14. Jahrhundert NGZ genügend gibt – mochte die folgende Tatsache nicht gefallen oder sie wurde von ihnen einfach ignoriert: Quasi von Beginn an mussten sich die Terraner mit Dingen auseinander setzen, die klar über den rein materiellen und technischen Ansatz hinausgingen.

Ob die paranormalen Kräfte der irdischen Mutanten, die Konfrontation mit den IVs, die Fähigkeiten eines Ernst Ellert wie die eines Harno oder die erste Begegnung mit dem vergeistigten Bewusstseinskollektiv der Superintelligenz ES: Stets handelte es sich um Effekte und Phänomene, die zwar im weitesten Sinne als »hyperphysikalisch« umschrieben wurden, sich letztlich jedoch entzogen und nicht so ohne weiteres in ein rein materiell orientiertes Weltbild pressen ließen.

Nehmen wir noch die Wirkung von Zellduschen und Zellaktivatoren, die seit der Pedotransfererfähigkeit der Cappins bekannte, aber keineswegs wirklich verstandene ÜBSEF-Konstante, die im UHF-Bereich des hyperenergetischen Spektrums »angesiedelten« Dinge wie Psionisches Netz, Kosmonukleotide oder Sato Ambushs Ki-Kräfte bei den pararealen Wirklichkeiten hinzu, gewinnt der mit Vitalenergie nur unzureichend umschriebene Aspekt der Hyperphysik immer größere Bedeutung.

Für die »Konventionellen« und »Materialisten« ist die Sache klar und keiner weiteren Diskussion wert. Alles, was über die im täglichen Leben eingesetzte Hypertechnik hinausgeht – und mitunter nicht einmal die! –, ist reiner Mumpitz und entspringt bestenfalls den wirren Hirnen abgedrehter Pseudowissenschaftler. Damit ist die Angelegenheit dann abgehakt ...

Dass sich die Angelegenheit nicht ganz so simpel darstellt, ist ein Thema für sich. Schon die alten Arkoniden, deren rein phänomenologisch orientierte Hyperphysik sich eher auf die pragmatische Seite der Anwendung beobachteter und ausgewerteter Phänomene beschränkte, mussten immer wieder erkennen und akzeptieren, dass es Dinge gibt, die sich nicht so einfach in die gängigen Modellbilder einordnen ließen – vor allem, wenn sie mit dem verbunden waren, was vereinfachend als Bewusstsein umschrieben wurde.

Praxisorientiert, wie die Arkoniden nun einmal waren, wurde dann versucht, die neuen Erkenntnisse zu nutzen. Gelang es, war es prima. Gelang es nicht, ließ es sich halt nicht ändern. Weitere Gedanken zu verschwenden blieb dann bestenfalls kleinen und wenig beachteten Zirkeln von Theoretikern vorbehalten, die – wie die altarkonidische Hyperthorik wiederholt zeigte – durchaus interessante Ergebnisse erzielten, aber nun mal im rein theoretischen Rahmen blieben.

Nachteil dieser Herangehensweise war natürlich, dass es der arkonidischen Hyperphysik nicht gelang, ein umfassendes und in sich stimmiges Modell von Hyperraum und übergeordneten Effekten zu formulieren, welches konkrete Voraussagen machen konnte, die dann wiederum auch Auswirkungen auf die praktischen Anwendungen gehabt hätten.

Historiker streiten weiterhin darüber, inwieweit hier die Zeit des Niedergangs während der als Archaische Perioden umschriebenen Epoche maßgeblichen Einfluss hatte. Fest steht allerdings, dass es zwischen etwa 3000 und 3760 da Ark – also 16.884 bis 15.986 vor Christus – milchstraßenweite, aus dem Galaktischen Zentrum hervorbrechende Hyperstürme gab, in deren Folge die Kontakte zwischen den Welten abbrachen, weil nahezu die gesamte Hypertechnik lahm gelegt war.

Weshalb es diese verheerenden Hyperstürme in dieser Heftigkeit, räumlichen Ausdehnung und zeitlichen Länge gab, konnte bis heute nicht eindeutig ermittelt werden. Fest steht allerdings, dass die arkonidische Raumfahrt nach ihrem Abflauen quasi von null an beginnen und neu aufgebaut werden musste, da viele Aufzeichnungen und Erkenntnisse in den Wirren verloren gegangen oder vernichtet worden waren. Beim Neubeginn wusste man nur, dass dieses oder jenes früher funktionierte – und so wurde pragmatisch exakt in jene Richtung geforscht, entwickelt und gebaut.

Das Ergebnis ist bekannt: Um schnell von A nach B zu kommen, reichte die Entwicklung von Transitionstriebwerken, so dass diese für Jahrtausende die Raumfahrt bestimmten und bestenfalls in Details verändert und verbessert wurden. Weitergehende Grundlagenforschung war vor dem Hintergrund des expandierenden Großen Imperiums somit eher Ressourcen- und Zeitverschwendung. Und bei der späteren Dekadenz war sie ohnehin »zu anstrengend« ...

Es gab zwar beispielsweise eine geheime Paraforschung. Da die Reproduktion der Phänomene rasch an Grenzen stieß, hielten sich die Ergebnisse ebenfalls in Grenzen – mal vom Psychostrahler oder der späteren paramechanischen Anwendung der Fiktiv- und Simulationsspiele abgesehen. Dass die Arkoniden bei vielen Fremdvölkern mit paranormalen Fähigkeiten konfrontiert wurden, änderte daran ebenso wenig wie die Auseinandersetzung mit den Individualverformern, die für Jahrtausende als der Erzgegner betrachtet wurden.

Die auch VeCoRat XaKuZeFToNaCiZ – kurz Vecorat – genannten Insektoiden hatten die beängstigende Fähigkeit, rein geistig den eigenen Individualkörper zu verlassen und auf einen anderen überzuspringen. Hierbei kam es zum Austausch mit dem Bewusstsein des Opfers, das im Vecorat-Körper zur Handlungsunfähigkeit verurteilt war. Die Arkoniden wussten sich nur durch eine Bekämpfung auf große Distanz und durch Robotschiffe zu helfen ...

Die terranische Wissenschaft startete mit dem Handikap der phänomenologischen Hyperphysik. Kapazitäten wie Kalup, Waringer, Hamiller und Ambush sowie die beim Vorstoß in die Weiten des Universums neu gewonnenen Erkenntnisse lieferten zwar in vielerlei Hinsicht Ergänzungen und Erweiterungen, aber unter dem Strich blieb es dennoch bis in die Gegenwart »Stückwerk«.

Rainer Castor