PERRY-RHODAN-Kommentar 1961


»Pseudo-Bewußtsein«?


Schon die alten Arkoniden, von denen die Terraner Hypertechnik und Positroniken übernahmen, waren bemüht, ihren Rechnern das zu verleihen, was mit dem Begriff »Pseudo-Bewußtsein« ebenso treffend wie letztlich unvollkommen umschrieben wurde: Ziel sollte ein perfekter Diener sein, der im Rahmen seiner Basisprogrammierung einerseits möglichst eigenständig arbeitete, Eigeninitiative bis hin zu echter Kreativität entwickelte und lernfähig war, andererseits aber nicht zur Gefahr werden sollte.

Der Hintergrund einer solchen Zielsetzung lag in der immensen Ausdehnung des Großen Imperiums begründet, dessen verwaltungstechnische, logistische und dergleichen Probleme einen Maßstab angenommen hatten, daß kein Arkonide mehr einen ausreichenden überblick besaß und die weitreichenden Konsequenzen der Entscheidungen berücksichtigen konnte.

Das Ergebnis der Bemühungen ist bekannt: Es führte letztlich zum Robotregenten, und wie Atlan zwischenzeitlich durch sein »Traversan-Abenteuer« erfahren mußte, war er durch seine Hilfestellung beim »Zauberhirn-Projekt« indirekt daran beteiligt, daß es zu jener Entwicklung kam, wie er sie als Vergangenheit kannte.

Ausgangspunkt hierbei war die berüchtigte Frage 112 von Joriega da Zogeen im Intranet-Diskussionsforum für ungeklärte Grundsatzfragen der Robotik auf Arkon III: Wie lassen sich auf positronischem Weg (schalttechnisch und/oder durch entsprechende Programmstrukturen) Prozesse simulieren, die den Bewußtseinsfunktionen eines Lebewesens gleichkommen, so daß es tatsächlich zur Ausbildung eines positronischen (Pseudo-)Bewußtseins kommt?

Atlans Antwort, mit dem Wissen über Biopositroniken und Syntroniken des Jahres 1290 NGZ ausgestattet, lautete: Voraussetzung zur Simulation von Bewußtseinsprozessen und -funktionen ist eine weitgehende Angleichung an die in der Natur vorkommenden: Positroniken beinhalten in ihren von Hyperkristallen geprägten Prozessorstrukturen bislang nur Erscheinungen des unteren bis mittleren Spektralabschnitts des hyperenergetischen Spektrums. Um mehr leisten zu können, bedarf es des Einsatzes höherfrequenterer Bereiche, so daß eine vernetzt-holistische Feldmatrix erzeugt wird, die jener der Individualschwingungsmuster von Lebewesen äquivalent ist und intuitive Lösungsalgorithmen liefern kann.

Wie wir aus der Geschichte wissen, wurde letztlich das Ziel weitgehend erreicht. Leider erwies sich der Robotregent dann doch nicht als so lernfähig und intuitiv handelnd, wie die Konstrukteure ursprünglich gedacht hatten.

Oder der Erste Wissenschaftler Epetran baute so viele Sicherheitsschaltungen auf Grund seiner Kenntnis der Zukunft ein (die er durch das Psychoverhör Perry Rhodans und Atlans gewann, als diese mit dem akonischen Zeitumformer in die Vergangenheit reisten, um dem durch akonische Manipulationen au§er Kontrolle geratenen Mammutrechner den Garaus zu machen), daß herauskommen mußte, was herauskam.

Einen Schritt weiter gingen noch die Mechanica-Echsenwesen, denen die Posbis ihre Existenz verdankten, die positronisch-biologischen Roboter: Bei ihnen gab es neben der Positronik als sogenannten Gefühlssektor den Plasmateil, der bei Individualrobotern zwar eine Steigerung hin zur »künstlichen Intelligenz« mit sich brachte, aber erst in großer Massierung quasi Eigenleben, Individualität, um nicht zu sagen das Bewußtsein eines echten Lebewesens entwickelte, ohne hierbei jedoch die mit der Positronik verbundenen Möglichkeiten einzubüsen. Das Zentralplasma der Hundertsonnenwelt oder Lunas Großrechner NATHAN seien hier stellvertretend genannt.

In dieser Sparte muß auch SENECA gezählt werden: Im Jahr 3540, als die SOL die Erde der Aphiliker verließ und den Heimflug vom Mahlstrom der Sterne zur Milchstraße antrat, galt ihr Zentralrechner, wie die einschlägigen Lexika ausführen, als die bis dahin vollkommenste Neuentwicklung auf dem Gebiet hyperschnell arbeitender Biopositroniken und war angeblich sogar NATHAN durchaus gleichwertig, trotz deutlich geringerer Ausmaße.

In einem Volumen von 125.000 Kubikmetern war das ursprünglich von der Hundertsonnenwelt stammende Zellplasma untergebracht, und diese nervenähnliche Masse reichte aus, um echte Intelligenz zu entwickeln, stellte die eigentliche "Seele« des Rechners dar und ergab in Verbindung mit den positronischen Elementen sein »Pseudo-Bewußtsein«.

Die Frage, ob hier noch von »Pseudo« (griechisch für Unwahrheit, Täuschung, also dem Schein nach) die Rede sein kann, wollte keiner der ursprünglichen Konstrukteure beantworten. Die Solaner, die viele Jahrhunderte an Bord des Generationenschiffes lebten, dürften sicher weniger zimperlich gewesen sein: Für sie besaß SENECA eine »Seele«, war Herz und Hirn der SOL, ein Freund, dem man sogar seine Schrullen nicht absprach (»Das wüßte ich aber ...«). Wie individuell und selbst-bewußt SENECA trotz seiner Basisprogramme letztlich ist, könnte Perry Rhodan unter Umständen rasch vor Augen geführt bekommen, dann nämlich, wenn eine syntronische Aufrüstung auf Camelot erwogen wird - und SENECA sich weigert, das mit sich machen zu lassen ...

Apropos 1961: Juri Gagarin umkreist als erster Mensch die Erde; die Berliner Mauer wird gebaut; mit der WOSTOK II startet die Sowjetunion eine zweites bemanntes Raumschiff; die X-15 stellt mit 5832 Stundenkilometern einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf; und mit dem Roman »Unternehmen Stardust« beginnt eine gewisse SF-Serie.

(INTERNE) ERGÄNZUNG:

SENECA befindet sich im Achsenschnittpunkt des zylindrischen SOL-Mittelteils und beansprucht hier das Volumen einer Kugel von 500 Metern Durchmesser. Gestaffelte Paratronschirme, zwei Meter starke Panzerwände aus Ynkelonium-Terkonit-Verbundstahl sowie zwei hermetisch abriegelbare Zugänge machen diese Kugel zu einer autarken Einheit; die Energieversorgung stellen vier schwere NUGAS-Schwarzschild-Reaktoren sicher (plus zwei weitere als Notreserve). Der durch die gesamte SOL verlaufende Zentral-Antigravachslift passiert den SENECA-Bereich hierbei durch eine Hohlröhre und besitzt keinen Zugang zum Inneren des Rechners.

Kernstück SENECAs ist ein Würfel, ebenfalls aus Panzerstahl gefertigt, dessen lichte Innenmaße 50 Meter Kantenlänge betragen und in diesem Volumen von 125.000 Kubikmetern das ursprünglich von der Hundertsonnenwelt stammende Zellplasma birgt. Diese nervenähnliche Masse reicht aus, um echte Intelligenz zu entwickeln, stellt die eigentliche »Seele« des Rechners dar und ergibt in Verbindung mit den positronischen Elementen sein »Pseudo-Bewußtsein«. Umgeben ist dieser Kern von den obligatorischen Ver- und Entsorgungseinrichtungen, die das überleben des Zellplasmas gewährleisten, sowie von 1.679.616 Bioponblocks, deren vernetzte Ausläufer das Plasma durchziehen und die syntho-organischen Verbindungseinheiten (die Balpirol-Halbleiter) zwischen organischen Nervenbahnen und positronischen Leitern darstellen. Die Umsetzung von organischen Impulsen in technisch nutzbare Symbolgruppen und umgekehrt erfolgt über die Hypertyoktische Verzahnung der Bioponblocks.

An sie angeschlossen sind die Betriebseinheiten der Positronik, deren unterste Hierarchie Howalgonium-Kristallchips darstellen, welche jedoch nicht von einfachen elektronischen oder positronischen Impulsen angesteuert werden, sondern von 5-D-Impulsen, deren Umformung siganesische Mikrosender, -Empfänger und Impulswandler bewirken, die erst im Endstufenkoordinator in konventionelle Rechenergebnisse zurückgenormt werden beziehungsweise als Inputs in den Rechner einfließen. Gemäß der posbischen Definition, auf die diese Rechnerkonfiguration ursprünglich zurückgeht, wird der Komplex von Hypertoyktischer Verzahnung plus Hyperimpuls-Umformer plus Positronik als Hyperinpotronik bezeichnet, bei der der Plasmazusatz »nur« die Aufgabe des »Gefühlssektors« Übernimmt andererseits aber gerade deshalb ein gewisses Eigenleben, um nicht zu sagen Kreativität, entwickelt: Die Denkvorgänge SENECAs sind also effizienter und erreichen im Rahmen der Grundsatzprogrammierungen einen nicht zu unterschätzenden Grad individueller Entscheidungsfreiheit. Die wichtigsten Daten und Basisprogramme sind hierbei in Kernspeichern mit Sofort-Zugriffsmsglichkeit integriert; die Übrigen Informationen befinden sich einschließlich der Hochenergie-Datenkomprimatoren im hierarchisch strukturierten riesigen Speichersektor der Peripherie.

Weiterhin zu den Peripherieanlagen sind zu rechnen: Die Energieerzeuger; das Kühlsystem (obwohl eine Anlage wie die von SENECA im Kern hyperphysikalisch arbeitet, gibt es genügend Bereiche, die eine nicht unbeträchtliche Wärmeentwicklung aufweisen und diese Wärme muß abgeführt werden; ganz abgesehen davon, daß sogar bei »Zimmertemperatur-Supraleitung« gewisse Grenzwerte nicht überschritten werden dürfen); die Anschlüsse an die Daten-»Leitungen«, die die Verbindung zum übrigen Schiff im zweiseitigen Kontakt sicherstellen sowie zu den »Nebenrechnern« und I/O-Terminals führen (es handelt sich in erster Linie um drahtlose Isolations-Röhrenkraftfelder, aber es gibt auch opto-positronische Datenkanäle, die bei Bedarf jedoch schnell gekappt werden können und somit die Sicherungsfunktion des SENECA-Schutzfeldes nicht beeinträchtigen), aber auch zu den vielfältigen Intern- und Externsensoren (gewissermaßen die Augen und Ohren SENECAs). All dies macht vielfältige Wartungs- und Reparaturzugangsmsglichkeiten notwendig, die als verzweigtes System von Kanälen, Schächten und Zwischendecks die SENECA-Kugel durchziehen.

Weil SENECA, sollte der Rechner einmal in Teilen zerstsrt oder beschädigt werden, nicht das Gesamtschiff lahmlegen darf, haben die Konstrukteure insbesondere im Zuge der Nachrüstung beim Umbau der SOL um 428 NGZ Wert darauf gelegt, daß das System in sechs gleichwertige und autonom funktionierende Bereiche geteilt werden kann, die sich gegenseitig kontrollieren und Yberwachen. Jede dieser Teilpartitionen kann auf sämtliche Ressourcen zugreifen. Handelt es sich nun um eine beschädigte Partition, bleibt sie entweder inaktiv, oder die übrigen fünf Sechstel unterbinden fehlerhafte Schaltungen. Im Notfall ist sogar ein Sechstel SENECAs in der Lage, den Schiffsbetrieb aufrecht zu erhalten das reicht völlig aus, um den Fachleuten an Bord Gelegenheit zu geben, die beschädigten oder aus sonstigen Gründen ausgefallenen Bereiche zu reorganisieren oder zu reparieren. Ein weiterer Vorteil des Partitionsverfahrens ist es da die sechs Teile jeweils auch von der Architektur her klar voneinander getrennt sind , vergleichsweise »einfach« Teile SENECAs komplett auszutauschen (Über die unterhalb SENECAs liegende Halle, in der ursprünglich die Ultrakomp-Waringkonverter untergebracht waren).

Zugang zu den Programmen haben ausschließlich autorisierte Personen, die Eingaben hierzu erfolgen von der Alpha-Zentrale SENECA aus, welche sich innerhalb der Panzerstahl-Kugelschale befindet. Auf die Partitionierung hat SENECA gar keinen Zugriff, es gibt auch nicht die Möglichkeit einer Gegenwehr: Eines der vielfach redundanten Sicherungssysteme, die die Konstrukteure einbauten.

Rainer Castor (13.12.2002)


Die Science-Fiction Romanserie Perry Rhodan erscheint wöchentlich bei der Pabel-Moewig Verlag KG in Rastatt.
Alle Rechte für die Romanserie und Abbildungen der Heftcover sowie Heftillustrationen liegen bei der Pabel-Moewig Verlag KG.
PERRY RHODAN ®, ATLAN ® und Mausbiber Gucky ® Sowie einige andere Verwendete Begriffe und Namen sind eingetragene Warenzeichen der Pabel-Moewig Verlag KG.
Die Verwendung der hier dargestellten Perry Rhodan Reports / Computer wurde uns freundlicher weise durch Herr Rainer Castor und VPM gestattet.